…Finanzlage der Stadt Hennef

Spanier, Norbert
7 Fragen beantwortet Norbert Spanier (SPD-Fraktionsvorsitzender und Finanzexperte)

Überall muss man lesen, dass die Kommunen hoffnungslos überschuldet sind. Wie sieht die Situation in Hennef aus?

Norbert Spanier: Das stimmt. In Hennef sieht es finanziell wirklich nicht gut aus, aber hoffnungslos ist die Situation im Gegensatz zu anderen Kommunen noch nicht. Trotzdem ist die Stadt mit über 82 Mio. Euro dramatisch verschuldet, die Stadtbetriebe mit weiteren ca. 100 Mio. und die Stadtwerke mit ca. 8,5 Mio. Euro. Gleichzeitig sinkt die allgemeine Rücklage ab. Vom versprochenen Schuldenabbau kann keine Rede sein. Die Kassenkredite, mit denen der laufende Verwaltungshaushalt ausgeglichen wird, sind in den letzten Jahren ebenfalls bedenklich gestiegen (ca. 50 Mio. Euro). Der Haushalt 2012 wird nur durch Griff in die Rücklage und Rechentricks fiktiv ausgeglichen.

 

Wie kommt das?

Die Fehler sind von den Ratsmehrheiten der letzten Jahre zum einen hausgemacht und zum anderen von außen durch wirtschaftliche Lage oder Gesetzesgebung beeinflusst. Das ganze hat zwei Seiten, die Einnahmen und die Ausgaben. An den Einnahmen können wir in Hennef nur begrenzt etwas ändern. Eine sozial gerechte Steuerpolitik muss in Berlin erfolgen. Da verspricht man zurzeit aber lieber Steuersenkungen, von denen niemand etwas hat, weil in den Kommunen gleichzeitig die Gebühren oder die Grundsteuer erhöht werden müssen. Bleiben die Ausgaben. Hier muss man sehen, dass Kommunen zum großen Teil Pflichtaufgaben erfüllen müssen, d.h. beschlossen wird in Berlin, bezahlt in Hennef. Zum Beispiel der U3-Betreuungsplatz-Ausbau, bei dem die Bundesregierung einen Rechtsanspruch festsetzt, aber nicht genügend Geld. Die schwarz-gelbe Landesregierung unter Rüttgers hat jahrelang gar nichts dazugegeben, die neue rot-grüne Regierung reagiert mit Sofortprogrammen, um den Ausbau voranzubringen. Trotzdem reicht das Geld definitiv nicht, die Kommunen müssen die Leistung aber erbringen. Es gibt viele ähnliche Beispiele.

 

Wie kommt Hennef aus der Finanzmisere raus? Die „Unabhängigen“ fordern, dass die Stadt in die Haushaltssicherung soll…

Mit der Forderung stehen sie alleine da. Kommunen versuchen da normalerweise wieder rauszukommen und die „Unabhängigen“ wollen rein. Dadurch ist nichts gewonnen, es gibt keine finanzielle Unterstützung oder so etwas. Die Stadt muss ein Sanierungskonzept vorlegen, das genehmigt werden muss. Wenn es nicht genehmigt wird, rutscht die Stadt in den Nothaushalt. Im Falle der Haushaltssicherung wird unter Zwang gekürzt werden müssen, und weil sich bei Pflichtaufgaben naturgemäß wenig eigenständig kürzen lässt, fällt der Blick dann zuerst auf freiwillige Leistungen für Vereine, Jugendarbeit, freie Träger, Kulturveranstaltungen oder Wirtschaftsförderung.

 

Macht die SPD da mit?

Nein. Natürlich müssen Ausgaben sehr kritisch geprüft werden und viele Dinge, die wünschenswert wären, können wohl nicht nachhaltig finanziert werden. Streichungen beispielsweise im Sozial- oder Jugendbereich sind allerdings der völlig falsche Ansatz. Diese Ausgaben wirken vor allem präventiv, die Folgekosten einer verfehlten Jugend –oder Bildungspolitik würden viel höher ausfallen. Das sehen leider nicht alle ein und diffamieren die Ministerpräsidentin Kraft für diesen Politikansatz als „Schuldenkönigin“. Das ist – nett ausgedruckt – ziemlich kurzsichtig.

Die SPD Hennef macht bei unsozialen Kahlschlägen nicht mit. Auch das Streichen von Investitionen hilft nur kurzfristig, über längere Zeit baut sich dann aber z.B. ein Sanierungsdefizit an städtischen Gebäuden auf, das dann kaum noch abgebaut werden kann. Das Haushaltssicherungskonzept, wie die „Unabhängigen“ es fordern, bringt nur Kompetenz- und Gestaltungsverlust für die Stadt Hennef, aber keinen Gewinn. Wir erwarten einfach, dass der Bürgermeister auch ohne Aufsichtsbehörde ein tragbares Finanzkonzept aufstellt. Da ist er gefordert, dafür wurde er mehrheitlich gewählt. 2015 können die Bürgerinnen und Bürger dann entscheiden, ob er der Aufgabe gerecht geworden ist.

 

Wie muss so ein Konzept aussehen?

Vor allem ehrlich! Wir können uns nicht mehr alles leisten. Diese Erkenntnis ist auch für Stadtratsfraktionen schwer, aber unausweichlich. Es muss erkennbar sein, wie Hennef in Zukunft seine Schulden abbauen möchte, vor allem auch die Kassenkredite minimieren kann. Das kann aber nur ganzheitlich funktionieren. Weder Kahlschläge bei den freiwilligen Leistungen, noch einseitige Steuer- und Gebührenerhöhungen wird die SPD mitmachen. Auch Privatisierungen von Leistungen, mit denen Haushalte häufig konsolidiert werden sollen, müssen kritisch hinterfragt werden. Ziel und Weg müssen klar beschrieben werden. Dabei hilft es nicht, den Haushalt durch Buchungsgeschäfte schön zu rechnen, wie dies im Haushalt 2012 mit dem Verkauf der Straßenbeleuchtung für 5,4 Mio. Euro an die städtische Tochter Stadtbetriebe der Fall ist. Rechte Tasche, linke Tasche, das hilft nicht weiter.

 

Trägt die SPD ein nachhaltiges Sanierungskonzept mit?

Wenn die oben umrissenen Grundlagen erfüllt sind, wird sich die SPD nicht aus der Verantwortung ziehen. Das haben wir auch bisher nicht getan. Für Verteilungskämpfe zwischen Mehrheitsfraktionen und Opposition, parteipolitisches Geplänkel oder Fundamentalopposition ist ohnehin nicht die Zeit. Wir haben klare rote Linien, die wir nicht überschreiten, gehen aber alle Diskussionen offen an. Wichtig ist vor allem auch, die Bürgerinnen und Bürger direkter zu beteiligen. Auf SPD-Initiative hin wurde ein „Bürger(Innen)haushalt“ 2011 erstmals eingerichtet. Leider fällt die Umsetzung ziemlich bescheiden aus, es gibt z.B. keine Internetforum-Funktionen oder übersichtliches Zahlenmaterial. Zu einer Verbesserung waren CDU und FDP aber leider nicht bereit.

Übrigens kann man ja auch bei sich selbst etwas sparen. Die SPD-Fraktion versucht z.B. die Zahl ihrer Fraktionssitzungen immer möglichst gering zu halten, damit die Stadt Sitzungsgelder spart.

 

Und die Forderung nach einer „Schuldenbremse“ für Hennef?

Das klingt schön, mehr nicht. Schuldenbremsen in Bund oder Land haben Verfassungsstatus. So etwas kann man für eine Kommune gar nicht beschließen. Alle Beschlüsse dahingehend, sind bei Bedarf einfach wieder zu kippen, die „Schuldenbremse“ für eine Stadt daher wirkungslos. Deshalb hat die SPD-Fraktion dem auch nicht zugestimmt. Wir brauchen keine „Bremse“, sondern eine offene Diskussion, was geht und was nicht.

 

Danke für das Interview!