Fair geht anders

Die vier auserwählten DiskussionsteilnehmerInnen
Mario Dahm kommentiert.

Manchmal erlebt man Sachen, über die man nur hinweglächeln kann. Manchmal sind diese Sachen dann beim zweiten Mal nachdenken so irritierend, dass es sich lohnt, einige Zeilen dazu zu verfassen. Eine solche Sache war die Podiumsdiskussion der Bundestagskandidat*innen, zu der die Hennefer Kolpingfamilie am Mittwoch eingeladen hatte. Es traten an: Sebastian Hartmann (SPD) und Robert Wendt (Grüne) gegen ein Team aus Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), Jürgen Peter (FDP) und dem Moderator (CDU). Zunächst sei festgehalten, dass der Verein sicherlich viel Gutes bewirkt, die Kritik richtet sich explizit gegen die Organisation dieser „überparteilichen“ Diskussion.

Die Demokratie wurde schon vor Beginn der Veranstaltung mit Füßen getreten als dem Kandidaten der Linken die Teilnahme versagt wurde. Begründung? Wir haben nun mal so eingeladen und die Partei sei verfassungsfeindlich. Gut, dass in Hennef darüber die Organisatoren der Podiumsdiskussion entscheiden und keine Verfassungsgerichte. So wurden den Besucherinnen und Besucher also schon von Beginn an die Positionen einer im Bundestag vertretenen Partei vorenthalten. Objektive Auswahlkriterien? Fehlanzeige. Herr Neu durfte sich dann großzügigerweise aus dem Publikum zu Wort melden.

Erstaunlich ist auch, wenn Podiumsdiskussionen von Funktionsträgern einer bestimmten Partei – man kann es ja nennen – der CDU moderiert werden, und zwar ohne Korrektiv, also z.B. einem weiteren Moderator. Da braucht man schon ein besonderes Talent und eine große Portion Neutralität, um diese Aufgabe sachgemäß übernehmen zu können. Was soll man sagen, beides fehlte an diesem Abend. Höhepunkt der „Neutralität“ war dann schon der erste „Fakten“-Check zum Thema Familienpolitik. Man kann sich ja solche Elemente aus Fernsehformaten abschauen, aber dann muss man auch Quellen, am besten unabhängige Quellen, nennen können, die Fakten, nicht Meinungen (!), absichern. Überspitzt formuliert: Die Bibel und das CDU-Wahlprogramm kann man da schlecht nehmen. Auch geht es überhaupt nicht, wenn man als „Moderator“mit selbstdefinierten „Fakten“ den akut schwächelnden Parteifreundinnen argumentativ unter die Arme greift. Das Publikum hat das schnell erkannt und den Einwand von SPD-Kandidaten Sebastian Hartmann, dass hier doch die neutrale Rolle eines Moderators verlassen wird, entsprechend mit Applaus unterstützt. Dass die Diskussion hitzig wurde, lag vor allem daran. Überhaupt schien das Publikum erfreulich aktiv und offen.

Die erste Publikumsfrage ging dann, man durfte es mittlerweile erwarten, aber direkt mal an die eigene Frau, die zufälligerweise Pressesprecherin der Hennefer CDU-Fraktion ist. Nun ja, kann man machen, muss man aber nicht. Garniert wurde die ganze Veranstaltung dann noch mit einem „Bericht“ (der wohl auch besser als Kommentar gekennzeichnet worden wäre) auf der eigenen Homepage, der auch an Neutralität kaum noch zu überbieten ist. Selbstverständlich taucht nur eine Kandidatin darin noch mal namentlich auf. Welche? Ja, jetzt alle mal raten! Ein peinlicher Text als Revanche, weil die CDU-Frau beim Heimspiel haushoch verloren hat? Vielsagend wird dann noch darauf verwiesen, dass der Wähler (wir finden übrigens auch die Wählerinnen) nun entscheiden müsse: Entweder rhetorische Kompetenz oder „Anstand im Umgang mit anderen“. Die Giftigkeit der Zeilen erschließt sich jedem Anwesenden. Doch: Da muss sich niemand entscheiden. Das kann man beides haben. Nur halt nicht bei der Podiumsdiskussion der Kolpingfamilie.

Wer den Abend verfolgte konnte einen SPD-Kandidaten erleben, der trotz aller Parteilichkeit der Organisation und Moderation, klar und eloquent seine Ziele für Deutschland und für den Rhein-Sieg-Kreis vorstellen konnte. Die Amtsinhaberin Winkelmeier-Becker musste da trotz vorgefertigter Stellungnahmen passen; ohne Vision, Hauptsache weitermachen. Da fragte man sich streckenweise: Ist das hier eine politische Diskussion oder ein Steuerfachseminar?! Nun gut, jetzt bin ich selbst natürlich nicht neutral, aber SPD und Grüne konnten an diesem Abend klarmachen, warum sie dieses Land besser regieren können: Mindestlöhne, faire Renten, Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Kommunen. Das alles mit einem ehrlichen Steuerkonzept, statt Milliardenversprechen ohne Finanzierungsvorschlag von CDU und FDP. Da konnte man die Sorge einer CDU-Ratsfrau nachvollziehen, wie denn so viele teure Versprechen finanziert werden können.

Und ein ganz wichtiger Punkt, den man an diesem Abend mitnehmen konnte: Alle Kandidat*innen sprachen von „Vielfalt“ bei heutigen Familien. Aber nur zwei stehen auch für wirkliche Vielfalt. Man nahm dann doch die Frage mit nach Hause, warum denn gleichgeschlechtliche Lebenspartner*innen keine Kinder adoptieren dürfen, wenn Familie doch so was Tolles ist. Auch trotz kritischer Nachfragen blieben SPD und Grüne dabei: Der Staat hat nicht zu entscheiden, welche Lebensform er fördert und welche nicht. Alle Lebensentwürfe sind gleichwertig, bestehende Diskriminierung gehört abgeschafft. Danke dafür.

Die Organisatoren der Diskussion sollten nun mal in sich gehen und überlegen, ob man am Konzept nicht doch besser noch einmal arbeiten sollte. Am Ende war der fair gehandelte Kaffee, den die Kandidat*innen als kleines Dankeschön bekamen, dann das einzig faire an dem Abend. Aber immerhin: Interessant war’s.

Mario Dahm, stellv. Vorsitzender der Hennefer SPD